Offener Brief des Chorverbandes Berlin e.V. zur Situation der Chöre durch die aktuelle Verordnung vom 23. Juni 2020

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Michael Müller,
Sehr geehrte Frau Senatorin Dilek Kalayci,
Sehr geehrte Frau Senatorin Sandra Scheeres,
Sehr geehrter Herr Senator Klaus Lederer,
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Steffen Krach,

Zum einen soll der „Lockdown“ schrittweise aufgehoben werden, um in allen gesellschaftlichen Gruppen den Weg zur Normalität zu gehen. Zum anderen müssen die Leitplanken zu diesem Weg gefunden werden. Als Chorverband Berlin müssen wir die Entscheidungen, die die Chöre in der Stadt betreffen, bewerten.

In der Pressemitteilung vom 23.06.2020 „Senat beschließt SARS-CoV-2_Infektionsschutzverordnung“ lesen wir die Formulierung „In geschlossenen Räumen darf nicht gemeinsam gesungen werden.“  Dies bedeutet: Ab Inkrafttreten ist das Singen für alle Chöre im Freien unter Einhaltung der Abstandsregelungen/Hygieneregeln erlaubt! Es bedeutet aber auch: Das Singen für keinen Chor ist in Berlin in geschlossenen Räumen gestattet. Daraus folgt eine akute Gefährdung aller Chöre im Land Berlin – gleich ob Profi-, Amateur- oder Schulchöre.

  • Das ist Auslöschen von Kulturgut und durch den massiven Entzug der beruflichen Grundlagen ist es ein Berufsverbot für Chorleiter*innen und Sänger*innen
  • 2 Jahrgänge werden Schüler*innen kein Chorsingen haben – das Sterben des Nachwuchses beginnt in der Schule
  • Eine qualifizierte Ausbildung an Hochschulen wird nicht möglich sein
  • Alle großen Chöre in der Stadt stehen vor dem Aus!

Wer diese katastrophale Entwicklung in der Kulturlandschaft Berlin stoppen will, muss sofort mit intensiver Unterstützung der Wissenschaft die Perspektive des gemeinsamen Singens in Räumen transparent erforschen. Wenn der Senat und die Wissenschaft dabei Unterstützung benötigt, bietet der Chorverband Berlin mit seinen über 11.000 Mitgliedern Hilfe an, um für mögliche Feldversuche Probanden zu gewinnen.

Wir haben mit der Entwicklung des Positionspapiers/Hygienekonzepts eine verantwortungsvolle Grundlage vorgelegt. Das Papier haben wir Herrn Prof. Dr. Mürbe und Frau Prof. Dr. Gastmeier vorgelegt – ihre Anmerkungen haben wir übernommen.

Wir haben Unverständnis darüber, dass Berlin nicht freigeschaltet wird, obwohl beispielsweise in Bayern, NRW, Rheinland-Pfalz, BW, Thüringen und Hamburg das Chorsingen (mit Hygienekonzept) in geschlossenen Räumen längst gestattet ist!

Wir schlagen jetzt vor:

Eine kleine Expertenrunde zwischen den beteiligten Senatsverwaltungen, Vertreter*innen der Charité, des Chorverbands Berlin, des Landesmusikrats und Vertreter*innen der Kirche soll die Perspektive des Chorsingens in Berlin mit Lockerungen vorbereiten. Wir brauchen eine schrittweise Weiterentwicklung, damit ein Chorsterben verhindert wird.

Dazu ist es notwendig, die Erfahrungen anderer Länder (sowohl Bundesländer, die bereits das Chorsingen mit und ohne Auflagen freigegeben haben, als auch Länder wie Schweden, die keinen Lockdown hatten) auszuwerten.

Es wäre hilfreich, wenn eine Studie über die Senatsverwaltung für Wissenschaft mit der Charité zu der Frage der Wirksamkeit der Aerosole in Auftrag gegeben wird.

Die Chöre brauchen eine zeitnahe Perspektive.

Federführung:

Petra Merkel

Präsidentin Chorverband Berlin

Unterzeichner:

Thomas Hennig                            Gerhard Schwab                                         Adrian Emans

Vizepräsident CVB                       Geschäftsführer CVB                                Vorsitzender Musikausschuss